CD: Hotel Casablanca

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Darum geht es doch im Jazz – etwas Neues zu erfinden. Genau das haben die drei Musiker getan – dem Jazz, der in vielen Zwängen und Konventionen feststeckt, wieder den Weg ins Freie gezeigt (…) Gralshüter der Freien Improvisation – Ein Meisterwerk

JAZZTHETIK

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Artikel in jazzthetik

Tracks

Side A: „Immersion“

Side B: „Duality“

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Cornelius Claudio Kreusch: Piano
Johannes Tonio Kreusch: Gitarre
Anthony Cox: Bass

über „Hotel Casablanca“

Im besten Fall ist ein Musikalbum eine Reise, für die Musiker wie für die Zuhörer. Wie kaum ein anderes Fach bietet die Musik die Chance, ohne Vorbedingungen oder Grenzen von hier nach dort und von gestern nach morgen zu gelangen, mit den Gedanken wie den Gefühlen. Als universelle Weltsprache kann sie dabei jeden mitnehmen. Umso größer wird das Abenteuer, wenn die Reiseleiter aus verschiedenen Genres stammen, aber frei und unvoreingenommen einen gemeinsamen Weg suchen. So wie der Avantgarde-Bassist Anthony Cox, der Groove-orientierte Jazzpianist Cornelius Claudio Kreusch und der klassische Gitarrist Johannes Tonio Kreusch. Auf ihrem neuen Album laden die drei nun ein, im „HOTEL CASABLANCA“ einzuchecken, als Basis einer bemerkenswerten Expedition.

Vor vielen Jahren spielten die drei im Rahmen der von den Kreusch’s geleiteten „Ottobrunner Konzerte“ erstmals im Trio zusammen, spontan, weil ein Workshop ausgefallen war. Eine magische Begegnung, nach der Cox feststellte, dass man das unbedingt wiederholen und dokumentieren müsse. Das dauerte dann einige Zeit, doch vor zweieinhalb Jahren nahm das Projekt buchstäblich Gestalt an: „GESTALT!“ hieß das Album, das aus der Improvisation heraus nach musikalischen Formen suchte. Die Definition des Wortes Gestalt war dabei ausschlaggebend: “A configuration or pattern of elements so unified as a whole that it cannot be described merely as a sum of its parts”.

Und das erneut so erfüllend für die drei war, dass es nach einer Fortsetzung verlangte. Nun also ist es so weit, und wie der Titel „Hotel Casablanca“ schon andeutet, geht es diesmal mehr um die Bewegung als um Form. „Der Titel soll Assoziationen wecken, ohne zu exakt zu sein“, erklärt Cornelius Claudio Kreusch. „Das Album ist wie ein Hotel mit den unterschiedlichsten Zimmern und Gästen. In dem einen Raum geht es so zu, im nächsten klingt es ganz anders. Es hat eben etwas von Tausend-und-einer-Nacht, Wir haben keinen spezifischen Bezug, wir wollten eine Vorstellung des Unterwegssein evozieren.“

Weil man das gemeinsame Denken und Spielen schon erprobt hatte, wagte man noch mehr Freiheit. „Wir haben uns diesmal völlig ohne Vorgaben im Stuttgarter Studio getroffen und uns einfach treiben lassen“, berichtet Cornelius Claudio Kreusch. „Und wir haben hinterher nichts verändert, nur – zu dritt! – ausgewählt und für die Dramaturgie des Albums manches umgestellt.“ Auch die von Anthony Cox gefundenen Titel sind wie Hotelzimmer, sollen einfach nur Unterscheidungsmerkmale verdeutlichen. Anders als bei „Gestalt!“ sind so auch Duo- oder Solo-Stücke entstanden wie zum Beispiel das Bass-Solo „Steak Knives“. Und Johannes Tonio Kreusch arbeitet noch mehr mit Präparationen, die mitunter, zum Beispiel auf „Country“ fast schon wie elektronische Musik klingen – „das aber alles rein akustisch gespielt ist“, wie er betont.

So groß der Freiraum ist, und so überbordend die klangliche Vielfalt, so erstaunlich genussvoll und zwingend klingt alles. Was natürlich am Vertrauen und der Vertrautheit der drei liegt. Nicht selbstverständlich, auch wenn Cornelius Claudio und Johannes Tonio Kreusch Brüder sind. Sind sie doch ungleiche Brüder, nicht nur wegen der verschiedenen Genres, in denen sie unterwegs sind, sondern auch vom beim einen extrovertierten, beim anderen eher introvertierten Charakter. Doch die Gegensätze ergänzen sich seit langem perfekt, ob bei der gemeinsamen Arbeit als Künstlerische Leiter von Festivals und Konzertreihen oder beim gemeinsamen Musizieren. Anthony Cox wiederum ist einer der ältesten Freund und Weggefährten von Cornelius Claudio Kreusch: „Als ich damals noch während des Studiums am Berklee College of Music immer wieder und dann fest nach New York kam, war Anthony der erste amerikanische Musiker, der mich völlig akzeptierte, mir Türen öffnete und mir das Gefühl gab, dazu zu gehören“, erzählt er.

An der individuellen technischen wie kreativen Klasse, die speziell für so ein gewagtes Abenteuer wie „Hotel Casablanca“ erforderlich ist, bestehen ohnehin bei keinem der drei Zweifel. Darüber geben schon ihre einzelnen Karrieren erschöpfend Auskunft. Als einer der wenigen deutschen Jazzmusiker ist Cornelius Claudio Kreusch auch in den USA ein Begriff. Viele Jahre lang war sein Hauptwohnsitz ein Künstlerloft wenige Blocks vom World Trade Center entfernt, mit Nachbarn wie Philip Glass, Jim Jarmusch oder Robert Rauschenberg. Er arbeitete mit Größen wie Greg Osby, Bobby Watson, Kenny Garrett, Marvin Smitty Smith, Terri Lyne Carrington, Ron Blake oder Salif Keïta. Die anregende Atmosphäre pushte ihn zu seiner heutige Trends vorwegnehmenden Jazzfusion mit Funk und Afrokaribischem; mit seinen Bands wie BlackMudSound oder Fo Doumbé spielte er in den legendären New Yorker Clubs wie „Blue Note“, „Knitting Factory“ oder „Zinc Bar“ und auch auf den Bühnen der großen Festivals und Konzerthäuser; sein Solo „Live! At Steinway Hall / New York“ wurde für den Grammy nominiert, und auch seine Internet-Firma MUSICJUSTMUSIC®, mit der er auch zum preisgekrönten Entrepreneur wurde, hatte ihren Firmensitz lange in München und New York. Seit einigen Jahren nach München zurückgekehrt, ist er mit seinem Trio zusammen mit Zaf Zapha und Maxime Zampieri, durch die Zusammenarbeit weiterhin mit Bobby Watson oder Lukas Ligeti, Simon Stockhausen, oder Joachim Kühn, vor allem aber solo auch eine feste europäische Größe. Mit einem unverkennbaren eigenen Jazz-Stil, der neben den weltmusikalischen Einflüssen zuletzt (etwa auf dem Doppel-Album „Zauberberg – A Musical Hommage to Thomas Mann“) auch wieder die klassischen Wurzeln erkennen ließ.

Die natürlich bei Johannes Tonio Kreusch ungleich stärker sind, zumal er vor seiner Entscheidung für die Musik ein Philosophiestudium begonnen hatte. Doch auch er hat eine amerikanische Vergangenheit, studierte in New York an der Juilliard School, lebte eine Zeit lang im Loft seines Bruders und hatte sein Solo-Konzertdebüt 1996 in der Carnegie Hall. Doch bald zog es ihn, den Gegenentwurf zum in New York auch in der Musik gerne vorgeführten „Schneller, Höher, Weiter“, wieder zurück in das alte Europa. Hier spielte er sich unter anderem mit seinen revolutionären Heitor-Villa-Lobos-Einspielungen in die erste Riege der Klassiker, blieb aber immer auf der Suche nach neuen Klängen und Ausdrucksmöglichkeiten des Gitarrenklangs, was ihn auch als Pädagoge und Festival-Leiter zu einer prägenden Figur der Szene macht. Seine Hermann-Hesse-Hommage „Siddhartha“ zeigt ausgezeichnet seine Offenheit für einen kreativen Umgang mit der Gitarre und für spieltechnische Experimente, aber auch seine Fähigkeit, im Rahmen einer klassischen Tongebung zu improvisieren.

Der Schlüssel für das „Gestalt!“ suchende und das „Hotel Casablanca“ erkundende Trio aber ist Anthony Cox. „Er hat nicht locker gelassen, uns zusammenzubringen“, bestätigen die Kreuschs, „er konzeptioniert die Stimmungen, er findet die Struktur für unsere drei Saiteninstrumente. Und ihm ist unser Projekt extrem wichtig, weil es ihn noch einmal anders zeigt.“ Verortet man ihn doch bislang beim Inventar der New Yorker Jazzszene. Fast ausschließlich dort arbeitete Cox mit alten Meistern wie Sam Rivers, Stan Getz, Elvin Jones, Dewey Redman, Geri Allen oder Craig Harris wie mit Innovatoren wie Henry Threadgill oder John Scofield; er gehörte fest zu den Bands von Anthony Davis, James Newton oder Marty Ehrlich und hat seit den Neunzigerjahren selbst einige großartige Alben als Bandleader veröffentlicht. Doch versteht sich Cox nicht als Traditionalist, sondern als Freigeist, der neue Wege in der Musik finden will.

Die beschreitet er nun auf „Hotel Casablanca“ mit den KreuschBros.. Gemeinsam erkundet man Klangfarben und Ausdrucksmöglichkeiten, findet an jeder Ecke andere Schönheiten, manchmal elegische, manchmal auch schroffe, lässt die Instrumente über das gemeinsame Empfinden sprechen. Die Sessions der drei wurden nicht nur von Aufnahmegeräten, sondern auch mit der Kamera festgehalten. So kann man demnächst nicht nur auf dem Album, sondern auch mit einem „Road Movie“ mit auf diese faszinierenden, vom „Hotel Casablanca“ ausgehende Reise gehen.

Weitere Informationen finden Sie auch unter:
https://www.glm.de/produkt/anthony-cox-cornelius-claudio-kreusch-johannes-tonio-kreusch-hotel-casablanca/

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